4.05.2023
Wann ist die Nachfolge-Entscheidung zu
treffen?
Bereits wenn der Senior das Alter von 60 Jahren überschritten hat erweist sich gerade bei Familiengesellschaften
die erste Entscheidung zur Nachfolgefrage als fehlerhaft. Sie muss nach einigen Jahren der Bewährung im fremden
und zum Schluss im eigenen Betrieb ohne besonderen Zeitdruck überprüft werden können.
Sind mehrere Kinder vorhanden, dann sehen die Gesellschaftsverträge oft vor, wer von ihnen eine
erbrechtliche Priorität
gegenüber den anderen hat; dabei werden in der Regel auch Eignungsvoraussetzungen definiert. Die Lösungen
variieren zwischen allgemeinen Wendungen und einengender Kasuistik. In der Mehrheit der Fälle erweisen sie sich,
wenn sie aktuell werden, als nicht passend, manchmal zeigen sie unvorhergesehene Auswirkungen.
Vor über zwanzig Jahren konzipierte ein auf
Erbrecht
spezialisierter Anwalt für ein traditionsreiches Unternehmen, dessen Führung zwei Brüder
übernehmen sollten, einen Gesellschaftsvertrag. Weit vorausgedacht regelte der Vertrag auch die
Führungsprioritäten in der noch nicht geborenen Erbengeneration. Das Konzept bevorzugte in der Nachfolgefrage die
Söhne, und unter ihnen den jeweils älteren. Bei beiden Familien kamen jedoch zunächst nur Töchter zur Welt. Das
forderte zur weiteren Fruchtbarkeit heraus. Wenn es soweit ist, muss ungeachtet der vertraglichen Regelungen
geprüft werden, ob der Erbe den Willen zur Selbständigkeit hat, sowie seine Neigung und die Fähigkeit ein
Unternehmen zu führen; außerdem, ob er bereit ist, sich außerhalb des eigenen Betriebes nachhaltig praktisch zu
bewähren, was wichtiger ist als ein gutes Studienergebnis.

Er kann nicht gedrängt werden, die traditionelle Aufgabe zu übernehmen, und in Treue zum Werk der Vorfahren zu
stehen. Um ihn als Erben kann auch nicht unaufhörlich geworben werden. Viel sinnvoller ist es, ihm im Fall des
Zögerns ernstlich gemeinte Alternativen vor Augen zu führen, um entweder seinen Widerspruch zu provozieren und
den Willen zum Einsatz zu wecken, oder rechtzeitig die klare Bestätigung für fehlende Eignung und Bereitschaft zu
erhalten.
Kommt aus der Familie des Erblassers niemand in Frage, ist eine firmenbezogene Adoption, eine formelle oder eine
informelle, zu erwägen. Die formelle ist zweckmäßig, wenn die Firma den Namen des Adoptierenden enthält. Der
Rechtsnachfolger erhält dadurch den gleichen Namen und wird so gleichfalls in die Familientradition gestellt.
Soll er erben, ist die formelle unerläßlich, damit die ungleich niedrigeren Sätze der Erbschaftsteuer für
Abkömmlinge Anwendung finden. Aus der Sicht der Firma kann die Nachfolge durch einen Alleinerben positive Aspekte
haben. Sie verläuft unter Umständen reibungsloser als mit dem einzigen Sohn.

Mit den leiblichen Kindern können Probleme durch die Erbfolgeregelung nicht zu entstehen, wenn sie die Aufgabe
ihrerseits abgelehnt haben, und wenn der Vater rechtmäßig und taktvoll auch gegenüber der Mutter vorgeht.
Geschäftsführung durch einen Familienfremden
Ist das eigene Kind geeignet und interessiert, aber noch zu jung, um den Vater bei dessen mutmaßlichem Ableben
ablösen zu können, kann ein Familienfremder von unternehmerischem Format mit entsprechend attraktiver Dotierung
gewonnen werden, der die Zeitspanne bis zum Nachrücken des Erbens überbrückt. Von einer naheliegenden und bequemen
Behelfslösung mit einem vorhandenen leitenden Angestellten ist in der Regel abzuraten. Der Familienfremde hätte im
Idealfall 25 bis 28 Jahre älter als der Erbe zu sein. Dann hätte dieser Gelegenheit, bis zum Alter von etwa 35
Jahren Erfahrungen in fremden Unternehmen, vielleicht auch schon mit leitenden Aufgaben anzusammeln, und er hätte
seine Fehler bereits hinter sich.

Andererseits hätte er dann noch einen erfahrenen Partner für eine nicht zu lange Zeit neben sich. Mit einem
Nachlassverwalter geht die zeitweilige Zusammenarbeit meist reibungsloser als mit dem Vater. Der beratende Anwalt,
der nach Art eines Personalberaters zur Gewinnung eines Chefs oder eines Mitgeschäftsführers zunächst zusammen mit
dem alternden Senior, später zusammen mit dem Junior, für die Übergangszeit herangezogen wird, erlebt bei seinen
Auftraggebern Illusionen über die Chancen, einen passenden Bewerber zu finden.
Familiengesellschaften sind auf dem Personalmarkt für leitende Angestellte durchgängig unbeliebt, was
selbstbewusste Unternehmerfamilien manchmal überrascht. Es müssen überzeugende Zusagen gegeben werden, dass der
künftige Chef gegen unzumutbare Einflüsse der Familie und gegen private Wünsche zur Vermögensverwaltung oder zur
steuerlichen Betreuung geschützt ist.
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